Wie oft ich das schon gehört habe: „Um Missverständnisse zu vermeiden, musst du AKTIV ZUHÖREN.“ So bekannt diese Technik ist, so schwer ist sie im Alltag umzusetzen:
Jemand erzählt dir etwas, und kaum hat die Person den ersten Satz beendet, rattert es schon in deinem Kopf: „Das kenne ich! Ich würde das so machen…“ oder „Na klar, das Problem hatte ich auch mal!“
So menschlich das ist – damit soll Verbindung mit dem Gegenüber geschaffen werden – beginnt genau hier eines der größten Missverständnisse in der Kommunikation:
Wir glauben, zuzuhören, sind aber eigentlich schon mitten im Antworten. Ich erwische mich auch immer wieder dabei!
Eine Übung, die es in sich hat
In meinem letzten Workshop mit einem Praxisteam haben wir eine kleine, aber sehr wirkungsvolle Übung gemacht. Sie lautete schlicht: Nur zuhören.
Ein Teilnehmer erzählte von einer Situation, die ihn im Praxisalltag regelmäßig stresst.
Eine Kollegin sollte lediglich zuhören und vertiefende Fragen stellen – keine Ratschläge, keine eigenen Geschichten, keine Kommentare.
Was nach einer simplen Aufgabe klang, stellte sich als echte Herausforderung heraus.
Ich konnte sehen, wie sich einige fast auf die Zunge bissen, um nicht sofort einzuhaken.
Andere wippten unruhig auf dem Stuhl, weil sie so gerne etwas dazu sagen wollten.
Zuhören – wirklich nur zuhören – ist Schwerstarbeit.
Weg von der eigenen, schnellen Interpretation, was der andere gemeint haben könnte – hin zu einem interessierten, neugierigen Nachfragen.
Doch genau in diesem Moment, in dem wir nicht reden, sondern einfach präsent beim Gegenüber bleiben, entsteht etwas Wertvolles: Verbindung und Raum.
Raum für echtes Verstehen. Raum für Verbindung durch die Emotionen. Raum für gemeinsame Lösungen.
Zuhören beginnt bei dir selbst
Viele Praxisinhaberinnen bemerken erst im Gespräch, wie laut es in ihrem eigenen Kopf ist.
Bevor du anderen wirklich zuhören kannst, lohnt sich ein kurzes Durchatmen und ein Check:
- Wie präsent bin ich gerade wirklich?
- Was beschäftigt mich noch, was ich zuerst für mich klären sollte, bevor ich zuhöre?
Denn auch aktives Zuhören setzt Selbstführung voraus -nur wer den eigenen inneren Dialog beruhigen kann, macht Platz für andere.
Zuhören ist keine Technik – es ist eine Haltung
Gerade in Zahnarztpraxen, wo der Alltag eng getaktet ist und Kommunikation oft „zwischen Tür und Behandlungsstuhl“ stattfindet, ist echtes Zuhören und Nachfragen Gold wert.
Es vermeidet die Missverständnisse durch vorschnelle Interpretationen – und noch etwas passiert:
Wenn du als Praxisinhaberin oder Teammitglied wirklich zuhörst, sendest du eine starke Botschaft: „Ich nehme mir Zeit für dich, du bist mir wichtig und ich nehme dich ernst.“ Diese Haltung stärkt Vertrauen und die Verbindung im Miteinander und sorgt dafür, dass Unstimmigkeiten gar nicht erst groß werden.
Dazu nimm dir vorab gerne ein paar Minuten Zeit für eine bewusste Reflexion zu diesen Fragen:
- In welchen Situationen im Praxisalltag fällt es mir am schwersten, einfach nur zuzuhören?
- Welche Kollegin oder welcher Kollege bräuchte vielleicht gerade mein echtes Zuhören– und nicht meine Lösung?
- Wie würde sich mein Teamgefühl verändern, wenn ich mich einmal am Tag bewusst fürs Zuhören entscheide?
Erkenne dadurch die kleinen Alltagsmomente, in denen du Führung durch Präsenz statt durch Aktion zeigen kannst.
Gespräche mal anders
Wenn es in deinem Team um heikle Themen geht – z. B. nervige Alltagssituationen oder schwer greifbare Themen wie Praxiswerte – helfen gute Fragen, ein gemeinsames, tieferes Verständnis zu entwickeln. So beginne im Gespräch nach den ersten Ausführungen, die erste Frage zu stellen. Und mit jeder neuen Antwort stellst du eine weitere Frage. Lass dich überraschen, wie viele Informationen du noch bekommst:
- Was meinst du konkret damit?
(Und frag ruhig zweimal: „Was noch?“ – auch wenn’s dir komisch vorkommt.) - Woran machst du das fest?
So kommst du von Meinungen zu Beobachtungen. - Was bedeutet das für dich?
Damit öffnest du die Tür zu echten Gefühlen und Werten.
Ich habe diese Fragen bei einer Trainerfortbildung kennengelernt und war verblüfft, wie tief sie wirken – als Befragte habe ich wichtige Aha-Erlebnisse über meine Beweggründe gewinnen können.
Als ich sie in meinen Workshops ausprobierte, war die Resonanz jedes Mal ähnlich: Erstaunen, Klarheit und oft auch Gänsehaut. Denn plötzlich wird greifbar, was Menschen wirklich beschäftigt – und das verändert die Kommunikation im Team nachhaltig.
Die Challenge: Stille aushalten
Wenn du das nächste Mal mit einer Mitarbeiterin sprichst, nimm dir vor, erst nur eine einzige dieser Fragen zu stellen – und danach nichts zu sagen.
Beobachte, was passiert: Wird das Gespräch tiefer, ehrlicher, verbindender?
Genau das ist Führungskommunikation auf Augenhöhe.
Denn oft fällt es uns schwer, Stille auszuhalten – auch im Gespräch. Doch genau dieses Schweigen wirkt wie ein Verstärker: Es lässt das Gesagte nachklingen und gibt Raum für neue Gedanken.
Also: Halte die Stille aus. Lass Pausen zu – sie sind kein Leerlauf, sondern Denkzeit.
Und wenn du jetzt merkst, dass es dir schwerfällt, diese Pause zuzulassen, dann beginne wieder bei dir und frage dich:
„Was macht Stille mit mir? Fühle ich mich unwohl – oder neugierig?“
Für mich ist Stille oft der Moment, in dem auch das Vertrauen wächst. Als Befragte fühle ich mich gesehen und wertgeschätzt, weil ich Zeit habe die Frage wirken zu lassen, nachzuspüren und in Ruhe zu antworten.
Also trau dich, sie zuzulassen – gerade in Gesprächen, die dir wichtig sind.
Die Übung für dein Team
Probiere die Wirkung auch mit deinem Team beim nächsten Meeting aus: Wenn es Unstimmigkeiten gibt oder ihr eure Praxiswerte reflektieren nochmal wollt, macht eine kleine „Zuhör-Runde“.
Eine Person schildert das Thema/ den Wert, die andere hört nur zu und stellt die vertiefenden Fragen. Keine Kommentare, keine Lösungen, keine Interpretationen. Am Ende der Fragen gibt die zuhörende Person kurz Rückmeldung, was sie verstanden hat. Danach wird gewechselt.
Du wirst überrascht sein, wie sich dadurch die Stimmung verändert. Das Verständnis wächst, Konflikte verlieren an Schärfe – und so bekommen die Teamwerte wieder mehr Leben.
In meinem Workshop war die Veränderung fast greifbar: Die vorherige Distanz löste sich auf, ein echtes „Aufeinanderzugehen“ entstand, und am Ende war der Raum erfüllt von befreiender Leichtigkeit.
Ein kleiner Moment – mit großer Wirkung und Gänsehaut.
Zuhören ist Führungsarbeit
Wer sich im Praxisalltag die Zeit nimmt und Raum für echtes Zuhören schafft, stärkt die Verbindung im Miteinander, die Motivation und dadurch letztlich auch die Zufriedenheit der PatientInnen. So wird aktives Zuhören zu einer echten Führungsqualität.
Mit diesen Fragen kannst du am Ende der Woche noch einmal in die Reflexion gehen:
- Habe ich in dieser Woche mindestens einer Person bewusst Raum zum Sprechen gegeben?
- Wurde in unserem letzten Teammeeting mehr verstanden oder mehr argumentiert?
- Wie oft höre ich auch bei PatientInnen wirklich zu – jenseits der medizinischen Fakten?
Ich bin gespannt, welche Erfahrungen du machen wirst. Schreibe mir gerne und lass uns in den Austausch gehen.
Und wenn du mehr Impulse möchtest, dann lade ich dich zu einem kostenfreien Impuls-Gespräch ein.
Bild: pressfoto / freepik.com

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