Wenn das Nichtstun zur größten Aufgabe wird
Von Leistung zur Balance – und warum wir alle wieder auf den Körper hören sollten
Vor ein paar Wochen habe ich nach einer Operation eine Challenge präsentiert bekommen: Die klare Ansage von der Ärztin: „Wenn die OP erfolgreich sein soll, dann sechs bis acht Wochen wirklich schonen!“
Sechs bis acht Wochen Pause – keine Belastung, keine Praxistermine. Nur Ruhe.
Bei der Planung dachte ich noch: „Kein Problem.“ Ich bin ja reflektiert. Ich weiß, wie wichtig Heilung ist. Ich kann das.
Aber was dann kam, hat mich viel stärker herausgefordert als der Eingriff selbst: Ich sollte nichts tun. Dem Körper förmlich beim Heilwerden zuschauen …
Fünf Minuten Ruhe auf der Couch – und mein Kopf läuft auf Hochtouren:
Ich kann doch hier nicht einfach nur rumliegen!
Ich müsste doch was machen… irgendwas Produktives.
Was habe ich denn heute überhaupt geschafft?
Es war, als rebelliert mein gesamtes inneres System gegen das, was mein Körper dringend braucht: Pause und Ruhe.
Ich war überrascht, wie laut diese Gedanken sich bemerkbar machen. Und noch mehr darüber, wie schwer es mir fällt, die körperliche Unruhe und Spannung auszuhalten.
Warum fällt es so schwer, nichts zu tun – obwohl wir wissen, dass es notwendig ist?
Ich habe lange über diese innere Unruhe nachgedacht und mir wurde klar: Es geht hier nicht um Ungeduld oder Disziplinmangel.
Es geht um etwas Tieferes: um innere Muster und um ein System, das viele von uns geprägt hat.
In meiner Arbeit mit ZahnärztInnen sehe ich diese Dynamik täglich – und ich kenne sie auch aus eigener Erfahrung:
- Wir übernehmen Verantwortung, funktionieren und halten das System am Laufen.
- Wir leisten, sind immer präsent, strukturiert, effizient und auf Perfektion getrimmt.
- Oft spüren wir bei all dem nicht, dass unser Körper längst ein Stoppsignal sendet.
Wir gehen über unsere Grenzen, weil wir es gewohnt sind. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ oder so ähnlich klingen dann die Glaubenssätze.
Niemand hat uns beigebracht, dass Selbstfürsorge notwendig statt egoistisch ist. Um langfristig gesund zu bleiben, braucht es mehr braucht als nur Disziplin: Es braucht wieder die Verbindung – mit dem Körper, mit unserem inneren Rhythmus, mit dem, was uns gut tut.
Ein inneres Gleichgewicht: Männliche & weibliche Energie
Wenn ich von männlicher und weiblicher Energie spreche, meine ich nicht die Geschlechterrollen. Ich meine die zwei Energiequalitäten, die jeder Mensch (auch der Zahnarzt und die Zahnärztin) in sich trägt:
- Die männliche Energie: zielgerichtet, klar, strukturiert, anpackend und entscheidungsstark …
- Die weibliche Energie: empfänglich, intuitiv, fühlend, zyklisch fließend und genießend …
In der gesunden Balance ergänzen sie sich. Wie Ebbe und Flut. Das eine geht nicht ohne das andere.
Doch durch eine leistungsorientierte Gesellschaft geprägt, leben viele von uns fast ausschließlich in der männlichen Energie. Nicht weil es sich so gut anfühlt, sondern, weil das gesellschaftliche System es so verlangt. Nur wenn du Leistung bringst, gehörst du dazu. Langsam gehen oder Pause machen wird als „Müßiggang“ abgewertet!
Wenn dieses (männliche) Leistungsprinzip zum einzigen Maßstab wird, entsteht ein Ungleichgewicht. Es fehlt der (weibliche) Ausgleich…
Was passiert, wenn wir in dieser Dynamik feststecken?
Die Folgen sehe ich in Praxen immer wieder:
- Körperliche Erschöpfung – aber das Ignorieren eigener Signale.
- Entscheidungen aus dem Verstand – aber ohne „stimmiges“ Gefühl.
- Hoher Anspruch an sich selbst – aber wenig Selbstmitgefühl.
- Und oft: Das Gefühl, „funktionieren zu müssen“, um nicht als „faul“ zu gelten.
Diese Überbetonung der männlichen Energie ist nicht falsch – sie ist oft notwendig, um voranzukommen und hat die Ergebnisse geliefert, worauf wir heute auch stolz sein können.
Aber sie ist auf Dauer nicht tragfähig.
Nicht für unsere Gesundheit.
Nicht für unsere Teams.
Und auch nicht für ein Leben, das sich wirklich gut und erfüllt anfühlt.
Doch was passiert, wenn wir dieses Ungleichgewicht weiter hinnehmen?
- Wir verlieren weiter die Verbindung zum Körper.
- Wir hören unsere Intuition nicht mehr.
- Wir treffen Entscheidungen, die nicht „stimmig“ für uns sind.
- Und wir funktionieren – bis das Akku tiefenendladen ist und der Körper „aussteigt“.
Zurück in die Balance – über den Körper, nicht den Kopf
Ich habe in den Wochen der Heilung nicht gelernt, „besser zu entspannen“.
Ich habe mir erstmal bewusst die Zeit genommen, hinzuhören. Meine Gedanken zu beobachten und mich selbst wieder mehr zu spüren.
Ich habe gemerkt: Balance entsteht nicht, weil ich mir vornehme, mehr Pausen zu machen.
Sondern, weil ich es mir erlaube, wieder in einen zyklischen Fluss zu kommen.
Was mir geholfen hat:
- Den Tag nicht mit einem ersten To-do zu starten – sondern mit der Frage:
„Wie fühlt sich mein Körper heute an – und was brauche ich?“ - Zeiten im (Praxis)Alltag bewusst zu gestalten: Nicht alles durchstrukturieren, sondern auch Platz zu haben, die Dinge fließen zu lassen.
Nicht kontrollieren – sondern zu vertrauen. - Entscheidungen nicht sofort im Kopf zu treffen – sondern mir erst Zeit zum Lauschen zu nehmen.
„Was sagt mein Bauch, mein Herz, meine Intuition dazu?“ - Mein Hirn an die Hand zu nehmen und beruhigen, wenn es mal wieder in Schleifen läuft: „Ich sehe deine Bedenken, entspann dich, ich hab alles im Griff“
- Und die Gefühle, die hochkommen, zulassen und erstmal nur SEIN zu lassen. Sie wollen einfach nur gesehen werden …
Führung mit weiblicher Energie ist keine Schwäche – sie ist eine Qualität!
Was ich heute sehe – bei mir selbst und bei den Frauen, mit denen ich arbeite:
- Je mehr wir unseren natürlichen Rhythmus leben, desto klarer führen wir.
- Je besser wir unseren Körper spüren, desto stimmiger treffen wir auch Entscheidungen.
- Und je mehr wir unser Inneres zeigen, desto mehr Verbindung schaffen wir im Außen.
Gerade in der Zahnmedizin – einem Gebiet im Wandel – sind wir eingeladen, eine neue Haltung zu entwickeln:
Führung mit weiblicher Energie schafft Räume, in denen Menschen aufblühen
Diese (weibliche) Führung zeigt sich nicht im Perfekten – sondern im Gegenwärtig sein.
Nicht Kontrolle schafft Verbindung, sondern Klarheit und Menschlichkeit.
Wer sich selbst spürt, führt anders:
Hört besser. Sieht mehr. Fragt nach.
Schafft Sicherheit, ohne Lautstärke.
Nimmt sich zurück. Gibt Raum, ohne Druck.
So entsteht ein Team, das nicht nur funktioniert – sondern mitdenkt, mitfühlt, mitträgt.
Und das beginnt bei dir.
In deinem Körper.
Jetzt!
Das schreibe ich nicht, weil ich’s gemeistert habe – sondern weil ich immer wieder, jeden Tag mittendrin bin.
Ich kenne die Stolpersteine und weiß, wie man damit umgeht.
Ich erzähle nichts, was ich nicht selbst durchlebt habe.
Weil ein Wandel ehrlicher ist, wenn man ihn selbst geht.
Wenn du dir auf deinem Weg zu mehr WOHL:FÜHREN Begleitung wünschst – melde dich gern.
Bild: Maren Pokroppa Photographie

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